Friedenskirche

digital restaurierte Postkarte der Jahrhundertwende (Ausschnitt)

Die Garnisonskirche am Kaiser-Wilhelmsplatz nahe der Moltkekaserne  wurde nach längerer Planungs- und Bauzeit  1899 fertiggestellt. Sie war das höchste Gebäude Heilbronns. Am Kaiser-Wilhelmplatz  lag auch das Realgymnasium.

digital restaurierte Postkarte der Jahrhundertwende (Ausschnitt)

Fritz Wolf wohnte nahe der Kirche und beschrieb in seinem Buch ‚Heilbronn bittersüß‘ eine Kindheitserinnerung, wie das rote Licht des Sonnenuntergangs langsam über die Kirche strich und der Dunkelheit wich, eine Vorahnung von Krieg und Zerstörung. Auf dem Platz vor der Schule mussten im III. Reich Schüler paramilitärische Übungen durchführen. Fritz Wolf floh später in die Emigration, Anna und Hermann Wolf starben in Theresienstadt.

Die Friedenskirche ist verschwunden, geblieben sind die Kriegerdenkmäler, um die sich der Nationalismus von der Kaiserzeit bis ins III.Reich inszenierte.

nach 1914, Heldengedenktag am Denkmal der Gefallenen des Füsilier-Regiments Nr 122, Fotograf unbekannt, Kolorierung jp

 

Die neuromanische Kirche war stilistisch mit der Berliner Gedächtniskirche verwandt.

Postkarte, StA Hn

 

Plan von Johannes Vollmer pd StA Hn

 

Wie in der Heilbronner Synagoge, die zuvor erbaut wurde, findet sich in der Friedenskirche eine Walcker-Orgel.

 Foto Walcker

Fotograf unbekannt, Privatsammlung

Die starke Betonung der Rosetten (und des Rundbogens) erinnern ebenfalls etwas an die Heilbronner Synagoge. Die starke Bedeutung der Fensterrosette in der architektonischen Gliederung (mit ihrer  Vervielfachung)  kommt eigentlich aus der Gotik,  dennoch dominiert sie den maurischen Stil der Heilbronner Synagoge sehr wirkungsvoll, ebenso die neuromanische Friedenskirche – wohl eine Mode der Zeit.  Der ältere, in seiner Bauzeit sehr beindruckende, repräsentative Bau der jüdischen Gemeinde aus dem Jahr 1878 kann ein gewisser Ansporn und Einfluß für die Friedenskirche gewesen sein. Ebenso hatte die Heilbronner Synagoge Inspirationen von christlichen Kirchen aufgenommen. Die starke Geometrisierung der Wandmalerei ist ebenfalls eine Gemeinsamkeit beider Bauten.

Über dem Altar entstand später ein bewegendes, monumentales Gemälde des Jüngsten Gerichts, geschaffen vom expressionistischen Maler Heinrich Altherr im Sommer 1939,  unmittelbar vor Ausbruch des 2. Weltkrieges.

Gemälde von Heinrich Altherr, Farbfoto Peter Schmitze,  digitale Überabeitung jp,  a)

Das tiefe Schwarz des Hintergrundes kann ein Symbol der Apokalypse, des Jüngsten Tages sein, dramatisch und kraftvoll dazu die großen, roten Kleider der Engel, die über den auferstandenen Toten auf schwarzem Grund schweben. Das monumentale Fresko war 12 Meter breit, vier Meter hoch und muß noch in der Ruine beeindruckend gewesen sein.

HSt Archiv, 1953

Das Wandbild war ein Hauptwerk des Schweizer Künstlers Heinrich Altherr, der ab 1906 in Karlsruhe lehrte, ab 1913 an der Stuttgarter Akademie.  Ab 1937 galt sein Werk als entartet und wurde teilweise zerstört,  1939 ging Altherr in seine Heimat Schweiz zurück. Für die Friedenskirche kam Altherr  im Sommer 1939 nochmals für wenige Wochen nach Deutschland, Pfarrer Karl Völter und ein Kunsthistoriker der Akademie Stuttgart konnten den Maler dazu bewegen. 117 War es eine symbolische Protestaktion des protestantischen Widerstands?   Ein verfemter Expressionst malt ein Menetekel der Apokalypse in eine Garnisonskirche, in der die Wehrmachtsoldaten der nahe gelegenen Kaserne  zur Messe kommen -und das alles wenige Tage vor Ausbruch des Krieges.

Vereidigung der Soldaten auf den Führer im Sommer 1939, Moltkekaserne Heilbronn

Foto Hellinger, Kaiserstr. 16, Archiv Zeitsprünge

Pfarrer Völter war kurz darauf nicht mehr Pfarrer der Friedenskirche, wurde danach in einen Vorort eingesetzt. Der größte Teil der Kirche in  Heilbronn hatte sich zu Beginn der Machtergreifung mit dem Regime arrangiert, auch Pfarrer Völter, wie es zunächst schien – doch bald schon wuchs bei ihm die Distanz angesichts der Rücksichtslosigkeit und Gewalt des Regimes.118

Der NS-Bürgermeister Gültig wetterte 1935 in einem Brief gegen Pfarrer Völter, da er jüdische Kinder auf dem Gaffenberg  aufnahm und strich ihm alle städtischen Fördermittel für das Projekt. August 1935 meldet das Heilbronner Tagblatt, dass „endlich“ keine jüdischen Kinder mehr den Gaffenberg besuchen würden. f1

 

Am 4.12.1944 suchten viele nach der Bombardierung Zuflucht auf dem Platz um die Kirche, der relativ sicher war, als rundherum der Feuersturm tobte. Auch Rolf Wacker, der in der nahe gelegenen Friedensstraße lebte und dort im Keller die Bombardierung erlebte, flüchtete hierher, wie er es in  seinen bewegenden Erinnerungen berichtet. Er sah als kleiner Junge, wie der Sog des Feuersturms an der Kreuzung Friedenstraße und Bismackstraße Frauen und Kinder ins Feuer zog. Er konnte sich auf den Platz vor der Kirche retten, wo noch genug Sauerstoff war.

Die Kirche wurde  am 4. Dezember 1944 stark beschädigt. Noch in den letzten Straßenkämpfen im April 1945 nahm die Kirche weiteren Schaden.

Foto Hildegard Mattes, StA Hn

 

Was geschah mit der Ruine der Friedenskirche nach dem Krieg?

Am 25. September 1947 wurde der Turm wegen Einsturzgefahr gesprengt, der übrige Bau zunächst für einen späteren Wiederaufbau  erhalten.

StA Hn  CC- BY SA 3.0

 

 5 Jahre lang blieb die Ruine stehen und die Frage eines  Wiederaufbaus offen.

StA Hn  CC- BY SA 3.0

1952 wurde dann nach einer umstrittenen Entscheidung die verbliebene Ruine  gesprengt und abgetragen.

Foto jp und StA Hn  CC- BY SA 3.0

 

Farbaufnahme aus den 30er Jahren, vom Kiliansturm aus gesehen.

unbekannt, StA Hn

 

historische Postkarte, dig jp

 

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a) Anmerkung zum Farbfoto des Jüngsten Gerichts von Heinrich Altherr: Das Farbfoto von Peter Schmitze wurde möglicherweise vom Bozzetto angefertigt, das  206 × 533 cm misst und später 1991 vom Museum Heilbronn angekauft wurde. In der Version der Farbaufnahme  fehlt das Gesicht Christi, möglicherweise war das Werk zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht vollendet.  Für die vorliegende Publikation  wurde mit der erhaltenen Schwarz/Weissaufnahme aus der Kirche, in der das Gesicht Christi enthalten ist, die Farbaufnahme digital ergänzt. Bezüglich der Farbgebung des Gesichtes lässt der Kontext darauf schließen, dass es in den Farben eines hellen, kühlen, bläulichen Lichts gehalten war, wie es die ganze Figur Christi dominiert,entsprechend wurde es digital umgesetzt.

f1  Hellmut Riegraf hatte den Zeitunsgartikel aus dem Heilbronner Tagblatt vom August 1935 aufbewahrt, der den Ausschluß jüdischer Kinder vom Gaffenberg meldete und  las in einem Interview daraus vor, das im Rohmaterial zum Dokumentarfim „Das andere Heilbronn“ von Christian Müller-Gebhard enthalten ist. Da nach dem Krieg systematisch belastende Artikel aus den Archivbeständen der Heilbronner Tagblatts herausgeschnitten wurden und so Zeitdokumente in vielen Fällen fehlen, kann der Beitrag von Hellmut Riegraf hier wertvoll sein.