1658 Stadtansicht Heilbronn Ausschnitt, StA Hn, Kolorierung jp
Eine Synagoge im Deutschhof? Auch das gab es einmal in der langen, wechselhaften Geschichte des Ortes. Im Mittelalter gebaut vom Deutschen Orden, Jahrhunderte in seinem Besitz, beherbergte der Deutschhof später im 19. Jahrhundert Schwurgericht, Garnison und von 1856 bis 1877 eine Synagoge.
Gasthof Glocke gegenüber dem Deutschhof
Hartmann, Stadtarchiv Hn
Unten: Gasthof Glocke vom Inneren des Deutschhofes aus gesehen
Hartmann, Stadtarchiv Hn
Das alte Tor mit der aufwändigen Schmiedekunst gab es bis in die Nachkriegszeit, es wurde erst später demontiert.
Auf der Treppe der Ritterherberge standen über die Jahrhunderte einst mancher Kaiser und König, der hier zu Gast war.
Postkarte im inneren des Deutschhofes, Sammlung StA Hn, Aufbereitung jp
Der deutsche Orden – eine besondere Macht
Der Deutschhof war in der Zeit des Ordens exterritoriales Gebiet mit eigener Gerichtsbarkeit und Asylrecht. Zwischen der Stadt und dem Ordenssitz bestanden ‚internationale Beziehungen‘. Über die Anfänge siehe auch Kapitel Sankt Peter und Paul. Der Einfluss des Ordens auf die Stadt über die Jahrhunderte war ungewöhnlich. Der deutsche Orden setzte sich unter anderem für die Juden in der Stadt ein. Der Orden drohte der Stadt, die Bürger dürften nicht mehr mit den umliegenden Ordensdörfern Handel treiben, wenn die Stadt weiter die Juden von ihren Märkten fernhalten würde d1. Kaiser Sigismund erließ im Jahr 1414 einen Schutzbrief für die Heilbronner Juden, als er im Deutschhof im großen Stil Hof hielt. d10.
Kaiser Sigismund in einem zeitgenössischen Holzstich
Kaiser Sigismund lud im Jahr 1414 zum Fürstentreffen im Deutschhof. Kaiser Maximilian logierte hier im Jahr 1495.
Maximilian I. von Albrecht Dürer, wiki, gemeinfrei
Jahrzehnte später kam sein Nachfolger Maximilian II. im Jahr 1570 – auch im „Käthchen von Heilbronn“ spielt er eine Rolle. Das Stück wurde im 20. Jahrhundert mehrmals im Deutschhof als historische Kulisse aufgeführt.
Seit dem Dreißigjährigen Krieg nahmen zunehmend vorbeiziehende Feldherren hier Quartier, was den späteren Wandel zur Kaserne vorbereitet haben mag. Doch bis 1805 blieb der Deutschhof noch im Besitz des Ordens.
Prinz Eugen sammelte 1734/35 vom Hauptquartier Deutschhof aus seine Truppen.
gemeinfrei wiki
Blick vom Kiliansturm auf den Deutschhof mit Sankt Peter und Paul
LMZ
Mit der Säkularisierung 1805 geht die Epoche des Deutschordens in Heilbronn zu Ende, der Deutschhof wurde eine Kaserne, Heilbronn Garnisonsstadt.
1848: Aufstand der Garnison
Eine Bürgerversammlung forderte 1848 das Recht auf Versammlungs- und Pressefreiheit im Gasthof Adler gegenüber dem Deutschhof.
Plan 1912, StA Hn, CC BY SA 3.0
Die Adlerbrauerei Würzburger befand sich in der Deutschhofstraße 1, heute Stadtgalerie.
StA Hn, CC BY SA 3.0
Der Mann oben rechts neben dem Reiter ist der Großvater des späteren Bürgermeisters Beutinger.
Ein weiteres Zentrum der 1848er war der Gasthof Löwen in der Paulinenstraße.
Das Regiment im Deutschhof meuterte 1848 und schloss sich den Demokraten an. Nach einer Gefangenenbefreiung im Deutschhof zog das Militär zusammen mit vielen Bürgern unter schwarzrot-goldenen Fahnen auf den Turnplatz beim Schießhaus. Der Monarch in Stuttgart ließ darauf das ganze Regiment verhaften, abführen, auflösen. d5
Nach der Verhaftung des Heilbronner Regiments 1848 war Heilbronn keine Garnisonsstadt mehr, der Deutschhof stand einige Zeit lang leer. Ab 1849 war vorübergehend ein Gymnasium hier untergebracht.d6 Die jüdische Gemeinde suchte einen Gemeinderaum und mietete einen Saal im Deutschhof (um 1857). Zehn Jahre später wurde der Deutschhof Landesgericht. Zeitweise wurde der Schwursaal auch als Betsaal der wachsenden jüdischen Gemeinde genutzt. d7n Schließlich wurde 1877 die große Synagoge an der Allee fertig, um der wachsenden jüdischen Gemeinde gerecht zu werden.
Freilichtspiele
Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Deutschhof für die Freilichtspiele entdeckt: Pfarrer Völter hatte die Idee, hier das Käthchen von Heilbronn zu zeigen, 1928 war Premiere. In den 50er Jahren gab es eine Wiederbelebung der Freilichtspiele – diesmal in Ruinen.
Gefängnis im III. Reich
Der Deutschhof wurde nach 1933 auch intensiv als Gefängnis genutzt, da alle Gefängnisse überfüllt waren. Im sogenannten Landgerichtsgefängnis im Deutschhof mussten die Gefangenen im Innenhof im Kreis gehen, wie Walter Vielhauer vom Heilbronner Widerstand berichtet.
Am 1.4.1933 war die Adlerbrauerei in der Deutschhofstraße von den Pogromaktionen der Nazis betroffen.
Aus einem Brief von Thekla Sänger, 1.5.1933: „Bei Würzburger in der Adlerbrauerei drückten sie jedem Gast einen Stempel ins Gesicht: ‚Ich Lump gehe zu Juden‘. Die junge Frau Würzburger liegt seither mit einem Nervenschock im Bett“. Auch Kreisleiter Drauz hatte hier später nochmals einen gewaltsamen Auftritt. Bald blieb nur noch Flucht und Deportation, die Gaststätte mit ihrer uralten demokratischen Tradition bis zurück ins Jahr 1848 wurde jetzt ‚arisiert‘.
StA Hn D072-358, CC BY SA 3.0
1944 wurde auch der Deutschhof und sein Umfeld getroffen, alle Gebäude brannten vollständig aus.
Collage einer Aufnahme von Bothner 1946 (LMZ) und 2018 (jp)
Kapitel Sankt Peter und Paul
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weitere Kapitel über den interaktiven Stadtplan
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Quellen des Kapitels Deutschhof:
d1 Seite 57 „Der Deutschhof in Heilbronn im Wandel der Jahrhunderte“, Norbert Jung, , Heilbronn 1968, Eigenverlag
d5 ebenda, S. 56
siehe auch Wilhelm Steinhilber: Die Heilbronner Bürgerwehren 1848 und 1849 und
ihre Beteiligung an der badischen Revolution des Jahres 1849.
Heilbronn 1959 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn 3)
d6 ebenda im Buch von Norbert Jung, S. 56
d7 ebenda S. 57-58
d10 Lexikonartikel über Kaiser Sigismund auf Wikipedia, Abschnitt „Politik im Reich“